Am 17.10.2023 hat die EU-Kommission eine sogenannte delegierte EU-Richtlinie erlassen, mit der die monetären Größengrenzen für die handelsrechtliche Einstufung von Unternehmen (Kapitalgesellschaften wie GmbH und gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften wie GmbH & Co. KG) deutlich um mindestens 25 % angehoben werden sollen. Die letzte Anpassung erfolgte vor über zehn Jahren. Insbesondere sollen mit der Anhebung der Schwellenwerte für die Kriterien Umsatzerlöse und Bilanzsumme die Inflationsraten der letzten Jahre berücksichtigt werden.
Diese Richtlinie wurde am 21.12.2023 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Unmittelbar im Anschluss daran, am 22.12.2023 hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) einen Formulierungsvorschlag zur nationalen Umsetzung unterbreitet, der die Ausübung aller in der EU-Richtlinie möglichen Öffnungsklauseln zu Gunsten der Unternehmen vorsieht.
Überblick über die neuen Grenzen
Die monetären Größengrenzen sollen danach wie folgt angehoben werden:
Größenklasse | Bilanzsumme in EUR | Umsatzerlöse in EUR | ||
bislang | künftig | bislang | künftig | |
Kleinst-Gesellschaft | bis 350.000 | bis 450.000 | bis 700.000 | bis 900.000 |
Kleine Gesellschaft | bis 6.000.000 | bis 7.500.000 | bis 12.000.000 | bis 15.000.000 |
Mittelgroße Gesellschaft | bis 20.000.000 | bis 25.000.000 | bis 40.000.000 | bis 50.000.000 |
Große Gesellschaft | ab 20.000.000 | ab 25.000.000 | ab 40.000.000 | ab 50.000.000 |
Auch die monetären Grenzen, bis zu denen auf die Erstellung eines Konzernabschlusses verzichtet werden darf, werden um 25 % angehoben. Die Grenzen für die Anzahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer bleiben unverändert.
Wesentliche Folgen bei Überschreitung von Größenklassen
Für alle Größenklassen gilt, dass für das Eintreten der Folgen mindestens zwei von drei Kriterien an zwei aufeinanderfolgende Geschäftsjahre über- bzw. unterschritten werden müssen. Insbesondere die Überschreitung der Größenklassengrenze zwischen kleinen und mittelgroßen Gesellschaften hat materielle Bedeutung:
- Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts
- Erweiterte Anhangangaben
- Pflicht zur Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht durch einen Abschlussprüfer
- Deutlich weniger Erleichterungen bei den Offenlegungsvorschriften.
Bei Überschreiten der Grenzen zwischen Kleinstgesellschaft und kleiner Gesellschaft gelten insbesondere detailliertere Vorgaben an die Gliederung eines Jahresabschlusses und die Verpflichtung zur Erstellung eines Anhangs. Ferner müssen Kleinstgesellschaften die Abschüsse nur hinterlegen, kleine Gesellschaften (in verkürzter Form und ohne GuV) im Unternehmensregister / Bundesanzeiger offenlegen.
Bei Überschreiten der Grenzen zwischen mittelgroßen und großen Gesellschaften kommen insbesondere weitere Angabepflichten im Anhang zum Tragen. Ferner müssen große Gesellschaften künftig auch sogenannte Nachhaltigkeitsberichte erstellen, prüfen lassen und offenlegen.
Zeitlicher Anwendungsbereich und Beispiel für die Erleichterungen
Mit der Veröffentlichung der Formulierungshilfe durch das BMJ ist nun auch der Wille des deutschen Gesetzgebers klar, wie in Deutschland die Frage der zeitlichen Anwendung umgesetzt werden soll; auch dies erfolgt vollständig zu Gunsten der Unternehmen:
- Verpflichtende Anwendung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen
- Freiwillige Anwendung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2022 beginnen
- Geltung der erhöhten Schwellenwerte auch schon für das jeweilige Vorjahr
Das heißt, exemplarisch bei kalendergleichem Geschäftsjahr jeweils für eine Abgrenzung zwischen kleiner und mittelgroßer Gesellschaft und hier für v. a. für die Prüfungspflicht:
- Erhöhte Grenzen per 31.12.2021 nicht überschritten, wohl aber per 31.12.2022, per 31.12.2023 aber wieder nicht: keine Prüfungspflicht per 31.12.2023 (nur eine Überschreitung 2023)
- Erhöhte Grenzen wurden per 31.2021 und per 31.12.2022 überschritten, per 31.12.2023 aber nicht: Prüfungspflicht per 31.12.2023, weil die erhöhten Grenzen per 31.12.2023 nach zwei Jahren erstmals wieder unterschritten wurden.
- Erhöhte Grenzen per 31.12.2022 und per 31.12.2023 nicht überschritten, keine Prüfungspflicht per 31.12.2023 und auch nicht per 31.12.2024 (da maximal erste Überschreitung 2024)