Im Frühjahr 2020 hat der russische Investor SCP Group die gesamten 276 Standorte der SB-Warenhauskette Real vom Großhändler Metro gekauft und möchte die Märkte nun unter den Konkurrenten weiterverkaufen. Interesse an den Märkten hatten insbesondere die SB-Markt-Kette Kaufland (Schwarz-Gruppe), die Globus-Gruppe und die EDEKA-Gruppe.
Laut zahlreicher Presseberichte hat das Bundeskartellamt den Verkauf der ehemaligen Real-Märkte an Kaufland und die Globus-Gruppe bereits genehmigt. Der Verkauf an die EDEKA-Gruppe wird derzeit seitens des Bundeskartellamtes noch geprüft. Angesichts der geplanten Übernahmen stehen die Lieferanten der Einzelhändler vor der Frage, ob sog. „Hochzeitsrabatte“ im Rahmen der Fusionen anfallen könnten.
Nach Vollzug des Unternehmenskaufs werden typischerweise die Einkaufskonditionen bei vergleichbaren Produkten und Produktgruppen abgeglichen. Ergibt der Abgleich, dass einer der beiden nun zusammengeführten Unternehmensbereiche in der Vergangenheit bessere Bedingungen ausgehandelt hatte, wird das nun fusionierte Unternehmen eine Verbesserung der Kondition anstreben. Im Zuge der Verhandlungen werden üblicherweise auch die sog. „Hochzeitsrabatte“ diskutiert, da die Lieferanten von zusammengefassten Liefermengen, bessere Bonität etc. profitieren können.
Im Handels- und Steuerrecht stellt sich die Frage, ob für drohende „Hochzeitsrabatte“ eine Notwendigkeit zur Bildung von Rückstellungen besteht. Im Falle der drohenden „Hochzeitsrabatte“ wäre die Anforderung an Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 HGB zu prüfen. Für Verbindlichkeitsrückstellungen müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
- Bestehen einer Außenverpflichtung ggü. eines Dritten
- Rechtliche oder wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen Geschäftsjahr
- Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
(1) Bestehen einer Außenverpflichtung ggü. eines Dritten
Eine Rückstellung ist bereits zu bilden, wenn die Verpflichtung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht ausgeschlossen werden kann. Hierbei müssen aber stichhaltige Gründe für eine Verpflichtung sprechen. Ein Anhaltspunkt kann sein, ob ein potenzieller Erwerber des Unternehmens die mögliche Verpflichtung bei der Kaufpreisfindung mit berücksichtigen würde. Denkbar ist im Falle der geplanten Übernahmen eine faktische Verpflichtung zwischen den Lieferanten und dem fusionierten Unternehmen. Die Lieferanten könnten sich faktisch nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen entziehen, da diesen ansonsten erhebliche Nachteile bis hin zur Auslistung drohen könnten.
(2) Rechtliche oder wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen Geschäftsjahr
Grundsätzlich ist bezüglich des Zeitpunkts der Verursachung unter Vorsichtsgesichtspunkten auf den früheren Zeitpunkt von rechtlicher Begründung oder wirtschaftlicher Verursachung abzustellen. In den meisten Fällen ist das Kriterium der wirtschaftlichen Verursachung von hoher Relevanz. Der BFH bejaht eine wirtschaftliche Verursachung in ständiger Rechtsprechung üblicherweise nur, wenn alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale für die Entstehung der Verpflichtung zum Abschlussstichtag bereits erfüllt sind und das rechtliche Entstehen nur noch von wirtschaftlichen unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt.
(3) Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
Mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung durch den Gläubiger muss ernsthaft zu rechnen sein. Gerade bei diesem Kriterium ist die Prüfung von ähnlich gelagerten Fällen aus der Vergangenheit unerlässlich und stellt einen großen Faktor zur stichhaltigen Beurteilung dar. Die bisherigen Erfahrungen im Lebensmitteleinzelhandel lassen grundsätzlich eine Forderung nach „Hochzeitsrabatten“ erwarten. Beispielhaft lässt sich hier die Übernahme der Plusmärkte von Tengelmann durch EDEKA im Jahr 2008 nennen. In dem genannten Sachverhalt wurde die Forderung nach den „Hochzeitsrabatten“ seitens des Bundeskartellamts und BGH jedoch als wettbewerbswidrig beurteilt. Gemäß BGH sei es missbräuchlich, die Anpassung der EDEKA-Konditionen an einzelne, günstigere Konditionsbestandteile von Plus zu fordern, ohne das Gesamtpaket zu berücksichtigen. Es ist aber nicht auszuschließen oder sogar als wahrscheinlich anzusehen, dass Kaufland, die EDEKA-Gruppe und/oder die Globus-Gruppe im Falle der Real-Märkte eine „kreative“ Begründung für eine Art von „Hochzeitsrabatten“ fordern werden.
Sollte die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für die sog. „Hochzeitsrabatte“ erfüllt sein, ist noch die Fragestellung der Rückstellungshöhe zu klären. Sofern Sie sich in Ihrem konkreten Einzelfall unsicher sind, ob und in welcher Höhe eine Rückstellung zu bilden ist, kommen Sie auf uns zu – die Kolleginnen und Kollegen unseres Teams helfen Ihnen gerne weiter!